Samstag, 10. März 2007

Lachende Nazis

Wer wurde Fußball-Meister 1938? Die Sportschau affirmiert den Antisemitismus des Nationalsozialismus indem sie Derealisierung betreibt oder: der Fall Lierhaus

Selbstverständlich kostet die ARD jede Möglichkeit aus – wie andere deutsche Medien ebenso – den Nationalsozialismus in einer sportlichen Kontinuität erscheinen zu lassen. Die Sendung der Sportschau vom 10. März 2007 belegt das. Die Anmoderation des Spielberichts Hannover 96 gegen Schalke 04 ist ein klares Zeichen: Das Lachen von SS-lern oder SA-lern oder NSDAP-lern oder anderen ganz normalen Deutschen im Nationalsozialismus, welches in dieser heutigen Sportschau minutenlang zu sehen war, als es um den „überraschenden“ Titel bei der Deutschen Meisterschaft im Fußball 1938 ging, soll die Deutschen und andere Freunde des Nazionalsozialismus ermuntern. Ein bisschen Spaß, samstags ab 18.30. Nach der nationalen Welle zur Fußball-WM fortfahren im nationalen Programm, das ist der Deutschen Pflicht. Und so wurde also heute in dieser von mehreren Millionen ZuschauerInnen gesehenen Sportschau von der Moderatorin Monica Lierhaus freudestrahlend ein Original UFA-Filmchen eingespielt. Minutenlang. Dass Juden seit 1933 auch im Sport im Nazi-Deutschland keine Rolle mehr spielen sollten, fällt unter den riesigen volksgemeinschaftlichen Tisch der ARD. Es hätten auch das ZDF sein können, Kabel 1 oder Sat 1. Die schenken sich da gar nix, die Privaten oder die Öffentlich-Rechtlichen. Rechtlich ist es übrigens völlig legal, freudestrahlend elende Antisemiten, die es en masse im Olympiastadion 1938, genau an den zwei Fußball-Meisterschafts-Endspiel-Tagen am 26. Juni und 03. Juli 1938 gegeben hat, zu zeigen. Ja es ist eine Pflicht, wie es scheint, gebührenfinanziert oder nicht, den nationalsozialistischen Staat als ganz normalen Staat mit einer ganz normalen Gesellschaft zu zeigen, welche dann im Kontinuum einer Sportgeschichte des 20. Jahrhunderts erscheinen, die bis heute wirkt. Moderatorin Lierhaus mag diese Derealisierung der antijüdischen Volksgemeinschaft, ihre Kollegen Beckmann oder Delling hätten gewissenhaft und genauso gehandelt. Oder ist es gar keine Verhüllung oder Derealisierung, vielmehr purste Affirmation ohne den Umweg der Derealisierung? Zeigt die Sportschau deshalb diese sportliche Volksgemeinschaft, ›weil‹ Juden keine Rolle spielen, und nicht ›obwohl‹? Lieben solche JournalistInnen den Nationalsozialismus als Teil Deutschlands ganz einfach und selbstverständlich? Soll nicht den heutigen Kindern, den 11- oder 13jährigen, gezeigt werden: »schaut mal, Sascha und Lisa, auch euer Ur-Großvater war vielleicht damals im Berliner Olympiastadion dabei, das ist doch toll. Schaut nur, der mit dem lustigen Hut, der freut sich, dass keine Juden mitspielen und Hannover 96 gewinnt.« Das mit den Juden würde eine Monica Lierhaus natürlich so nicht sagen, da ist die postnationalsozialistische Rhetorik doch deutlich geschliffener. Ein lachender ganz ordinärer Deutscher des Jahres 1938 – das ist doch deutsch genug. Dass Juden keine Rolle spielen auf dem Platz oder auf der Tribüne, das ist geschenkt. Da winken Florian Illies geschulte ordinäre Jungdeutsche nur ab.

Es ist dieser Antisemitismus, der aus der Derealisierung resultiert, welcher der ARD Spass macht. Das ist Deutschland im 21. Jahrhundert. Eine super entspannte Gesellschaft. Es wird zukunftsweisend sein: der Nationalsozialismus mit allen Facetten soll und wird goutiert werden wie jede andere Zeit auch. Wissenschaft, Politik und Medien gehen nicht nur diesbezüglich im neu-deutschen Gleichschritt, der an alte Zeiten erinnert. Wie dieser UFA-Bericht. Deutschland 1938 – eine entspannte, glückliche Gesellschaft. Da klatschen nicht nur die „Freien Kräfte“ aus Sachsens Neonaziszene. Da gröhlt der Stammtisch und Lierhaus ist ganz erfüllt. Und deutsche Generationen sind wieder einmal versöhnt. Deutschland, an einem Samstagabend, 62 Jahre nach Auschwitz.

Ihr
Dizengoff Boulevard